Bei der Vorbereitung zu der angekündigten Notothylas-Exkursion
ins Vogelsberggebiet stieß ich auf einen
Brief von Josef Futschig an Ricleff Grolle [von 1984], der
in
der Bryological Times abgedruckt wurde, und zwar auf deutsch! (wohl
der einzige Beitrag in dem Newsletter auf deutsch). Da dieser Brief
einerseits die Hintergründe zu der Exkursion illustriert, andererseits
aber auch ein Stück bryologische Zeitgeschichte ist, und viele
Leser der Rundbriefe diese alten Ausgaben der Times
nicht besitzen, habe ich ihn hier abgetippt.
Prof. Dr. Jan-Peter Frahm, Botanisches Institut der Universität
Bonn
Die Bryologischen Rundbriefe sind ein Informationsorgan der Bryologischen
Arbeitsgemeinschaft Deutschlands.
Lieber Herr Dr. Grolle!
In diesen letzten Tagen des alten Jahres rüttelte mein Gewissen
in mir und befahl: Noch ehe der Hahn zum letzten mal in diesem Jahr
gekräht haben wird, muss ein inhaltsschwerer Brief an Deinen guten
Freund Ricleff in Jena unterwegs sein!! Und unter solchem Gewissenszwang
kommt nun dieser Brief zustande!!
Was ich mir in diesem Jahr an Schreibfaulheit geleistet habe, ist absoluter
Rekord, Herr Meinunger, Herr Marstaller und auch Herr San. Rat Eckhardt
werden mich längst aufgegeben haben. Auch Ihnen schrieb ich ½
Jahr nicht. Nun heißt es Wiedergutmachung leisten,
und allein deswegen zog ich in hessischen Gefilden aus, 12 Rosinen
für Sie und alle Freunde zu pflücken.
Ich erinnere mich mit Freuden unserer gemeinsamen Exkursion ins Lahntal
zu Scapania gymnostophila und Lophozia perssonii. Während des Gespräches
erinnerten Sie mich auch an Anthoceros neesii.
Am 15. September 1980 fuhr ich per Auto für 5 Tage in die Rhön,
um mein Prominenten-Messtischblatt Kleinsassen weiter unter
die Lupe zu nehmen. Vorläufiges Ergebnis 420 Species, davon 97
Lebermoose! Ich wählte auf dem Hinweg und notwendigerweise auch
auf dem Rückweg die ruhigere Strecke über den Vogelsberg,
der bryologisch auch heute noch ein wenig im Abseits steht. Just 1 km
nördlich des Städtchens Gedern lockten Getreide-Stoppeläcker,
hier mal eine Stichprobe auf Anthoceros neesii zu machen. Ich war überrascht
von der reichen Florula, viel Anthoceros und viel Riccien. Ich freute
mich, daß der Bauer hier von der verheerenden Mineraldüngung
noch nicht Gebrauch gemacht hatte. Aber mit Ihrem geistigen Beistand
achtete ich eben auf die kleinsten Antho-Rhinoceroten, fand recht
viel von diesem Gemüse, ohne zunächst überzeugt zu sein,
was ich da gefunden hatte.
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