Sie treffen sich im Restaurant. Gunda Park trägt einen lachsroten
Trenchcoat. Weiß der Himmel, wo man so was kaufen kann. Gero hat
seine neue Gefährtin mitgebracht, und die beiden sitzen schon vor
noch nicht angerührten Gläsern. Man schüttelt sich die
Hand und lächelt. Gunda fühlt sich spröde. Jetzt muß
sie sich auch noch bewegen und den Mantel ablegen. Häng ihn
doch dort auf. Ach ja. Der Stuhl quietscht als sie
sich setzt. Mit dieser Zunge kann sie unmöglich eine Bestellung
flüssig sprechen. Sie stammelt dem Kellner Worte entgegen und weicht
seinem Blick aus. Der versteht natürlich nicht beim ersten mal.
Gero und Isabel blicken zu Boden, lächeln freundlich Unterstützung.
Es ist allen unangenehm.
Geschafft. Die ersten Bewegungen, die ersten Schlucke Wein, die unberührte
Tafel defloriert, der Abend rollt widerwillig voran, während das
Knirschen seiner Kugellager leiser wird. Gero fragt: Wie gefällt
es dir an deinem neuen Institut. Großartig.
Diese Infrastruktur ist eine totale Erleichterung nach der Zeit an der
Uni. Und wie du weißt, interessiert mich das Themengebiet schon
lange. Und die Kollegen? Alles hochbegabte
Leute, sehr interdisziplinär, nur mäßig gestört.
Wirklich nette und neugierige Menschen, ein angenehmes Klima
ja, ich fühle mich wirklich wohl dort. Und du? Gefällt es
dir immer noch am NICM? Ja, natürlich. Eine
fantastische Umgebung. Trotzdem überlege ich, in die Industrie
zu wechseln. Bioinformatiker werden jetzt sehr gebraucht.
Ach ja? Schön. Es gibt hervorragende Möglichkeiten,
in der Schweiz, zum Beispiel. Jetzt wie ein Schwein grunzen
und kurz und hell aufquieken, das wärs. Sie hält es
zurück. Blickt Isabel an, da sie jetzt nicht sprechen kann, ohne
zu quieken. Isabel lächelt ein wenig, das Wort ist nicht an ihr.
Stille schwebt unangenehm. Gunda reißt den Lenker herum, tritt
sich auf die Zehen in ihren perlmuttfarbenen Pumps, bis der rot lackierte
Nagel ihres linken Fußes fast knackt. Vor Schmerz beginnt das
Fleisch unter dem Nagel beinahe zu jucken. Gunda ist Geologin. Sie modelliert
tektonische Verschiebungen auf riesigen Zeitskalen. Liebt hochhackige
Schuhe. Ißt jeden Morgen eine Schwarzbrotstulle mit Gänseschmalz.
Liebt es zu sticken. Sticht die Nadel und zieht den Faden und versinkt
dabei in wohliger Trance. Sie schluckt, blickt auf, spült mit einem
groben Lidschlag ihre Augen und sagt: Herrrrrrlich!! In der Schweiz
leben, in den Bergen! Und in der Industrie verdienst du ja sicher genug,
um das so richtig auszukosten. Willst du nach Basel? Lausanne?
Weiß noch nicht, hab noch keine konkreten Pläne.
Es wäre zu früh, jetzt zu fragen: Und du, Isabel,
gehst du dann mit? Suchst dir eine Stelle in der Nähe, am liebsten
natürlich wieder in der selben Arbeitsgruppe? zu früh,
das wäre gemein, unangenehm, widerlich. Sich weiter alles vom Hals
halten. Schnell, eine neue Frage: Hast du in letzter Zeit eine
Tour gemacht? Letztes Jahr im Frühsommer.
Ach. Jeeeeesuschrist, ist das langweilig.
Gähnen, wie Karamelstreifen am Sommernachmittag, gähnen, das
wärs. Jetzt faßt Geros Hand an Isabels Knie und die
Langeweile ist vorbei. Gunda kommt ein Stück Sushi hoch. Es war
schon halb unten und ist jetzt wieder da. Liegt das am Sushi? Mag sie
nämlich nicht. Ihre Hände sind eiskalt und feucht. Dann eben
nicht am Sushi. Der Fisch ruht in ihrer Backe und sondert fischigen
Geschmack ab, den schätzt sie nicht. Nimmt Anlauf. Schluckt. Es
steht kurz auf der Kippe, dann bleibt es unten. Sie fürchtet ein
lautes Schluckgeräusch gemacht zu haben, wie im Slapstick. Die
Gesichter über den Gläsern sind ruhig und gefaßt.
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