Robert Willenbach war am Rande eines Hubschrauberlandeplatzes aufgehalten
worden von einem älteren Herrn, der die Uhrzeit erfragte. Willenbach
erfuhr über sich:
»Ich weiß nicht, ob
wie ist ihr Name?«
»Willenbach, Robert.«
»Robert. Das ist gut, ich habe ein schlechtes Namensgedächtnis.
Der Sohn einer meiner Kolleginnen heißt Robert, so kann ich mir
das merken. Ich weiß nicht, ob ihnen das schon einmal jemand gesagt
hat, aber sie haben eine sehr tragende Stimme. Sie könnten gut
Theater spielen
«
»Ich habe mal Theater gespielt. Aber das ist sehr lange her.«
»Da wirds jetzt aber interessant!«
»Ich habe wieder damit aufgehört, als ich vierzehn war.«
»Wie alt sind sie, wenn ich fragen darf?«
»Dreißig.«
»Dann haben sie über die Hälfte ihres Lebens umsonst
gelebt.«
»Naja, das würde ich so nicht behaupten.«
»Es ist nämlich so, Robert, nicht wahr? daß
ich zur Zeit noch einen männlichen Darsteller für ein Stück
suche. Es ist ein Amateurtheater, wir proben zweimal pro Woche.«
»Ich weiß nicht, ob ich dafür Zeit habe.«
Robert Willenbach erhielt eine kostenlose Eintrittskarte und entschloß
sich, seinen Spaziergang durch den Spätherbst abzubrechen. Die
Sonne hatte ihn überzeugen können, das Haus zu verlassen,
so hatte Willenbach seine neunzig Kilogramm durch die Stadt und ihre
Randgebiete bis auf das Krankenhausgelände bewegt. Der Spaziergang
hatte ihn enttäuscht. Er war keinem seiner Bekannten begegnet zwischen
den Glühweinständen in der Innenstadt, und es war ihm kein
Lächeln einer der vielen Frauen dort aufgefallen.
Willenbach sah sich nach dem älteren Mann nicht mehr um. Der Nachmittag
war noch früh, und als er die Brücke am Güterbahnhof
überquert hatte, trafen sich an der Kreuzung die Blicke einer jungen
Frau mit seinen, sie sahen sich noch einmal an, und ihre Wege trennten
sich. Robert Willenbach machte sich Gedanken, als er seiner Augenblicksbekanntschaft
mehr zufällig und aus anderem Grunde melancholisch hinterhersah.
Sie entfernte sich zügig durch die kurze Allee in die weite Flußaue
hinein, auf deren Wiesen Willenbach in kaum noch erinnerter Zeit im
Winter Schlittschuh lief. Er zauderte, das Vereinsgebäude am Rande
des Bahngeländes zu betreten. Man hatte ihn seit einigen Monaten
wiederholt dorthin eingeladen, und nun stand er zum erstenmal davor.
Es war noch zu früh, noch niemand hatte sich dort eingefunden,
und der Vorsitzende, dessen Auto bereits dort parkte, würde ihn
in ein anstrengendes Gespräch verwickeln, ihm Kaffee und frisches
Brot aufdrängen und Willenbachs Mitgliedschaft und Engagement in
dieser sehr speziellen Loge einfordern. Willenbach stahl sich davon
und verfing sich gelangweilt in unscharfen Erinnerungen sie war
so unauffällig und unspektakulär gewesen, und einige konnten
sie nicht leiden und fanden sie seltsam. Sie hatte ihre Socken nicht
ausgezogen, Willenbach hatte ihr bereits den Pullover über den
Kopf schieben müssen. Sie hatte ihre Tage und keinen Ersatz für
ihren Tampon dabei gehabt, wollte ihn deshalb am Morgen im Backofen
trocknen und ihn sich wieder einführen. Willenbach zog ihr den
bunten Tanga aus, sie gaben sich unaufhörlich Zungenküsse,
und sie sagte, sie könne seine Mutter sein. Die Zartheit der Haut
seiner ersten Gespielin war für ihn unerwartet.
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