Eckhard Martin
»Public-Enemy-Nr.-1-Ikone«
(Ausschnitt)


O sages standing in God‘s holy fire
As in the gold mosaic of a wall …
Consume my heart away; sick with desire
… and gather me
Into the artifice of eternity.
Sailing To Byzantium, William Butler Yeats

Überall Ikonen. „Ihre einzigartige Schönheit hat sie zu einer Ikone gemacht“, sagt der Filmproduzent Arthur Cohn über Oscar-Preisträgerin Halle Berry, die neueste Bond-Gespielin in „Stirb an einem anderen Tag“. Im Zusammenhang mit dem Teen Spirit eines neuen Girlism in der Kunst schreibt die Kritikerin Magdalena Kröner in der „Welt“ über zwei junge Künstlerinnen, die die Rückkehr von Malerei und Zeichnung in die Gegenwartskunst – und somit das wiedererwachte Interesse am Figurativen – repräsentieren: „Hellen van Meene und Sarah Jones stilisieren Heranwachsende zu Ikonen juveniler Depression.“ In einer Anzeigenkampagne besinnt sich der postmoderne DaimlerChrysler-Konzern der Tradition seiner US-Marke Chrysler und blickt zurück auf das Jahr 1930 in New York, als ein Meilenstein der Architektur im Art-déco-Design entstand: „Das Chrysler Building wird zur Ikone eines Baustils und inspiriert Künstler und Architekten rund um den Erdball.“ Sogar die in dieser Hinsicht sonst wenig verdächtige Feministin und komische Alte im Steinzeit-TV-Format „Was bin ich?“, Alice Schwarzer, bringt es im Berliner „Tagesspiegel“ zu folgender Einschätzung ihrer öffentlichen Wirkung: „Für die einen ist sie die Männerhasserin …, für die anderen eine Ikone, die Galionsfigur der Frauenbewegung.“ Maria Callas, die Primadonna assoluta schließlich, wird beim Nachdenken über „Diven – Stars – Ikonen“ im vergangenen Oktober in der Berliner Akademie der Künste von Elisabeth Bronfen mit schaurig schönen Attributen bedacht. Sie sei nämlich „Wunde und Wunder zugleich“. Und im Zusammenhang mit dem Radical-Chic-Lifestyle, der unter anderem in Filmen wie Christopher Roths „Baader“ gerade 25 Jahre nach dem „deutschen Herbst“ seinen Ausdruck findet, schwadroniert das gehobene Münchener Feuilleton von der RAF-Ikonografie und deren Eignung „zum wunderbar gefährlichen Mode-Tool“, während gleichzeitig der Sieg der Popkultur final beklagt wird: „Die Gesten und Effekte haben die politische Analyse verdrängt.“ Der Kritiker vergleicht den Film-Baader mit Godards Outlaw-Helden des Nouvelle-Vague-Klassikers „Außer Atem“, der ebenfalls davon träumte, zu einer ganz großen Nummer in den Schlagzeilen zu werden. „Wenn er dann als Terrorist auf Fahndungsplakaten prangt, wird er zur Public-Enemy-Nr.-1-Ikone.“

(…)

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