Heute morgen ist das Leben so, als hätte ich es erfunden: Es ist
halb sieben und der Wecker läutet nicht. Das ist eine beeindruckende
Erfahrung. Man dürfte eigentlich nicht ausschlafen, aber man tut
es trotzdem. Wozu leere Batterien doch von Nutzen sind. Irgendwann wache
ich auf und die Zeit ist weg.
In der Küche finde ich sie wieder, sie hängt an der Wand und
macht Kuckuck. Das hat sie auch schon vor Jahren gemacht, jedoch nicht
in meiner, sondern in Großmutters Wohnung. Ich betrachte das Häuschen
und höre Oma Lise wie sie sagt: Das Leben und
du weißt
schon, die Liebe, dafür musst du dir genug Zeit nehmen, mein Junge.
Wie wohl mein Chef auf diese Erklärung reagieren würde.
In der Probezeit morgens um zehn könnte einem das ziemlich negativ
ausgelegt werden. Da ich mir nicht sicher bin, ob das in Großmutters
Sinn gewesen wäre, lasse ich erst mal die
Finger vom Telefon. Anrufen und nachfragen, wie sie das gemeint hat,
das wäre jetzt gut, ich weiß noch ihre Nummer, aber da geht
seit dem Schlaganfall letztes Frühjahr keiner mehr ran.
Vielleicht kann mir eine andere Frau weiterhelfen.
Diese ist zwar fast 40 Jahre jünger, aber ich kann sie immerhin
noch in diesem Leben fragen. Ich muss einfach ins Nebenzimmer gehen,
mich zu ihr unter die Decke legen und mit einem Kuss könnte ich
sie auf meine Seite ziehen. Im Flur ist es still. Vorsichtig öffne
ich die Tür und nach fünf kleinen Schritten erreiche ich das
Bett. Leer. Auch im Bad ist sie nicht.
(...)
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