Hess Paul
An den Wurzeln der Sprache?
Mischsprachen durch Sklaverei und ihre Weiterentwicklung (Ausschnitt)


Urlaub in Marokko, irgendein Suk, Messinggefäße, Lederwaren, Nahrungsmittel, Schmuck – und touristische Einkaufsgelüste. Aber keine Ahnung von der Landessprache. So übermittelt mensch sein Kaufbegehren mit Händen und Füßen, einem Kauderwelsch aus englischen, französischen Brocken, Blickkontakt, Substantiven und minimierter Grammatik. Das ist der Beginn einer neuen Sprache, einer Kontakt- und Handelssprache in diesem Fall. Am nächsten Tag geht es schon besser, der vierte beschert echte Wiedererkennungswerte, erste arabische Worte in bemühter Phonetik. Die Handelssprache beginnt sich zu verändern, zu differenzieren ... und stirbt nach zwei Wochen wieder aus, weil da der Urlaub zu Ende ist.

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Pidgin: das ist der Sammelbegriff für ein Konglomerat unterschiedlicher Sprechmuster, die bis auf individueller Ebene herab differieren – und dennoch definiert. Eine Zusammenstellung der gängigen Eingrenzungen ergibt folgende Charakteristik: Pidgins leiten sich lexikalisch von anderen Sprachen ab, bleiben diesen gegenüber allerdings strukturell verarmt, insbesondere was die Morphologie, also Stammbildung und Beugung von Wörtern, betrifft. Ebenso ist die Grammatik reduziert, der Wortschatz begrenzt. Dafür wird die Bedeutung einzelner Wörter erweitert. Eine Pidginsprache entsteht dann, wenn Menschen gezwungen sind, miteinander über längere Zeiträume zu kommunizieren, ohne über eine gemeinsame Sprache zu verfügen. Pidgins haben keine oder nur wenige Erstsprecher dieser Sprache, will heißen, dass es sich dabei nicht um Muttersprachen handelt. Der Funktion nach dienen sie als Kontakt- resp. Hilfssprachen, die per definitionem auf ein enges Gebiet zwischenmenschlicher Lebensäußerungen (z. B. den Handel) beschränkt bleiben. Der Wortschatz wird überwiegend der sozial dominanten Sprache, dem sogenannten Superstratum entnommen.

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