Die extrem nervöse Radiowerbung ist heute ein tolles Kurzhörspiel
nach dem anderen. Sie ist absurd und hat richtigen Drive, und sie ist
unglaublich penetrant. Als in den späten 60er Jahren Radiomacher
und Autoren antraten, um das »Neue Hörspiel« durchzusetzen,
haben sie an die Penetranz nicht gedacht, deswegen setzten sie sich
letztlich eben nicht durch. Die gewollte Betonung als Schallereignis
sollte die Kunst gebären, und die Hörer sollten telefonisch
über den Fortlauf der verkrampft realistischen, aber zugleich überkonstruierten
Handlung entscheiden ein Greuel, wie wir ihn heute in der lästigen
Interaktivität des World Wide Web wieder vorfinden, wenn wir versuchen,
dort zusammenhängende Texte zu lesen.
Vom »Neuen Hörspiel« blieb nichts, der Hörfunk
ist wie zuvor ein Hort traditioneller Literaturauffassung. Immer wirken
die Protagonisten zur Ruhe gekommen und unbeeindruckbar wie alte Leute,
auch wenn sie in der Regel als Zwanzigjährige bis Mittvierziger
im hektischen Berufsleben und der davon begrenzten und darum aufregend
gelebten Freizeit geschildert werden. Es gibt in Hörspielen der
90er Jahre und der neuesten Zeit in der Regel keinen praktischen Unterschied
zu gelegentlich wiederholten aus den frühen 60er Jahren.
Natürlich muß ein Hörspiel erstmal von einem Autor geschrieben
worden sein, ehe es produziert werden kann. Da diese Literaturgattung
eigentlich zur akustischen Wahrnehmung bestimmt ist, ist sie hybrid.
Das Hörspielmanuskript muß so geschrieben sein, dass die
Sprecher, der Regisseur und die Technik damit mühelos zurechtkommen.
Fünfzehn Zeilen zu je sechzig Anschlägen ergeben eine Sendeminute.
Dass ein so verfasster Text gesprochen leicht statisch wirkt, ist jedem
bewusst, der es versteht, seinen Mitmenschen zuzuhören. Die ununterbrochene
Aufrechterhaltung durchschnittlicher Sprechgeschwindigkeit tötet
jede Gelegenheit zur Emphase durch den Hörer. Aber gute Sprecher
sind in der Lage, auch mittelmäßige Manuskripte »interessant«
zu lesen und damit aufzuwerten. Das ist heute die Regel. Auch wenn Natürlichkeit
in der deutschen Bühnen-Hochsprache angeblich oberstes Gebot ist,
ist Künstlichkeit in Hörspielen nicht überhörbar.
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