Marietta Böning
Hybride Hypertext
Gattungstypische Aporien der Cyber-Literatur

(Ausschnitt)


Der literarische Hypertext ist ein Hybride, zweifellos. Nur, verschafft die Transposition eines Textes ins Medium Internet mit Inanspruchnahme aller Stilmittel, die das Offline-Material nicht birgt, dem künstlerischen Werk einen neuen Aspekt? Oder handelt es sich („nur“) um das Austesten des technisch Möglichen, um den Versuch, mit dem neuen Medium mitzuhalten? Was also wäre ein genuin neuer künstlerischer Aspekt von Cyber-Literatur, diese Frage stellt sich dann auch.

Die Beantwortung verweist auf unterschiedliche Implikationen, die das Resultat (der literarische Hypertext) zeitigt. Neben dem wichtigsten Kennzeichen – dem formalen – gibt es gattungsmäßige, kulturgeschichtliche und letztlich semantische Gründe, welche herangezogen werden müssen, um Hypertext-Literatur als etwas „Neues“ und damit Sinnhaftes zu deklarieren. Der kulturgeschichtliche Aspekt gehört unbedingt dazu, wird hier aber nicht behandelt.

Warum ist der formale Aspekt so wichtig, mag man fragen oder, anders herum, die Frage naiv finden. Die Antwort: Beim Hypertext ist er es per definitionem. Denn von vornherein steht fest, dass sich durch die Transposition, also die Handlung, nur formale Charaktere ändern, von denen eine vermeintlich veränderte Semantik erst abhängig wäre. Dies ist aber auch schon der einzige Grund. Und das wiederum besagt schon, dass sich keiner bei der Frage nach der Hypertext-Analyse eine hochgestochene Inhaltsanalyse bezüglich einer herkömmlichen Intention des Autors erwarten darf. Und somit ist der literarische Hypertext bereits ganz gemein oder höchst erfreulich, ganz wie es dem Leser beliebt, in die Experimentierecke geschoben.

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