Ich komme regelmäßig dorthin zurück. Die Räume
des Hauses sind andere geworden und sie haben sich vermehrt. Aber noch
immer gibt es einen Raum, in dem ich sie finden kann. Ein Raum in einem
Haus, daß sie immer seltener verlässt. Sie sitzt in einem
Sessel, der in den letzten Jahren stetig näher an die wechselnden
Fernsehapparate herangerückt worden ist. Größer wurde
die Entfernung zur Heizung. Über der Heizung steht auf einer hellen
Marmorplatte das Bild desjenigen, der sie viel zu früh verlassen
musste und den ich nie kennen lernen konnte. Immer wieder trete ich
gerne ein in diesen Raum und sage Hallo. Ich gebe ihr meine Hand und
dafür bekomme ich ihre. Meinen Lippen hält sie ihre Wange
entgegen. In den letzten Jahren habe ich es mir abgewöhnt, sie
gleich als erstes zu fragen, wie es ihr gehe. Ich weiß, dass es
nicht gut geht. Sie weiß, dass es mich interessiert. Ich weiß,
dass ich darüber etwas erfahren werde. Wir reden. Sie fragt nach
meinen Finanzen und ob ich da Hilfe brauche; sie fragt nach meiner WG
und ob wir uns vertragen; sie fragt nach meiner Freundin oder will wissen,
ob es überhaupt eine gibt; sie fragt nach Olli, den es schon immer
gegeben hat; sie möchte wissen, wann ich mein Studium abschließen
werde. Ich frage danach, was sie noch so tun kann; ich möchte wissen,
ob und wie es mit dem Lesen noch geht; manchmal frage ich sie, ob sie
ein paar wenige Schritte spazieren gehen möchte. Ich fürchte
den Tag, an dem ich die Tür dieses Raumes öffne und er nicht
mehr erfüllt sein wird von ihr. Ich fürchte den Tag, an dem
all die Fragen nicht mehr möglich sein werden und das für
immer.
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