Wölfe auf Eis
{x | x element Denk an was Schönes}
(Ausschnitt)


Fragmente für einen Schriftsteller, ein Radio, ein Wörterbuch und die typografische Mengenlehre

[ radio minsk, 7210 kHz, düstere klänge durchmischt mit störgeräuschen]

[Schriftsteller]

Denk an was Schönes. Trockene Kälte, schneeweiße, weite Landschaft. Inmitten ein Imbisswagen, mit Stehtisch, freien Hockern – und eisgekühlten Gläsern. Es sind nur wenige hundert Meter dorthin. Langsam nähern wir uns dem Ort der Glückseligkeit. Nur wenige hundert Meter. Eine lange Nacht in der Stadt liegt hinter uns. Nun, in der nebligen Morgendämmerung laufen wir heim zu den eisgekühlten Gläsern. Durstig, verwirrt, irritiert. Das imperialistische Dilemma. Es dauert noch lange bis der Sommer wiederkommt, uns die Glut wieder ersticken lässt, die Angst vor der Hitze. Wenn die Farben von der Sonne ausgedörrt werden und die Erde von Schweiß überschwemmt wird. Denk an was Schönes, denk an Wodka. So muss unsere Musik klingen. Die Kälte liebt uns. Wenn die Titten bedeckt von weiten, undurchsichtigen Pullovern.

[Wörterbuch]

/* Das imperialistische Dilemma: Ausspruch von Kommissar Hinrichs in seiner letzten Polizeiruf 110 – Folge „Ihr größter Fall“.

[ radio ]

öh öh öh öh ö ö ö öh öhh öhh ö ö öh

[ radio roi wien, 6155 kHz, freudige walzermusik]

[Schriftsteller]

Denk an was Schönes, der Frühling naht, Sonnenstrahlen wärmen unsere Häupter. Noch haben wir Zeit für uns, lass es uns tun. Wir lieben die Zahlen, die Mathematik. Unsere Rhythmen sind linear, Frequenzen in einfachen Brüchen. Wir lieben die Rechtecke und hassen das Runde. Denk nicht an geometrische Inzucht, die abgerundeten Balken werden verrotten. Denk an was Schönes, für uns. Eine Welt mit Schreibmaschinen. Noch können wir atmen ohne zu schmurgeln, ist die Glut so fern. Es ist kühl, ich mag das. Denk an unsere Tänze, Musik lebt. Es ist nicht mehr weit. Viele Texte umschwirren meinen Kopf, wollen eingesaugt werden, verstanden werden. Es ist nicht viel, was ich zu sagen habe. Und lese Deinen Turgenjew auf der Reise. Es gibt keinen Sommer in Petuschki.

(…)

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