Ralf Nöcker
Marken – Ikonen mit Funktionen
(Ausschnitt)


Laut Duden handelt es sich bei einer Ikone um ein „Kultbild der Ostkirche“. Der Begriff „Marke“ bedeutet danach „Handels-, Waren- und Wertzeichen“. So gesehen, haben die Begriffe „Ikone“ und „Marke“ zunächst nur wenig gemein. Natürlich wird aber zum einen der Begriff „Ikone“ heute wesentlich weiter gefasst als oben definiert und entfernt sich aus dem streng religiösen Kontext. Zum anderen bewegt sich der Begriff der „Marke“ zunehmend hinaus aus dem Beamtendeutsch der Dudenredaktion und hinein in quasi-religiöse Sphären. Jedenfalls ist immer häufiger die Rede von „Markenkult“ und „Kultmarke“, und mittlerweile gibt es sogar ein Buch über Markenführung, das „Corporate Religion“ überschrieben ist. Darin wird gezeigt, wie man den Konsumenten zu einem „Glauben“ an die Marke und das Unternehmen führen kann. So gesehen, haben die Begriffe eine Menge gemein oder zumindest eine relativ große Schnittmenge.

Was ist das also nach heutigem Verständnis genau, eine „Marke“? Eigentlich – nichts. Man kann sie nicht anfassen, nicht schmecken, nicht riechen, und man sieht allenfalls ihre Visitenkarte – das Markenlogo und den Markennamen. Auch wer als Bilanzleser sich betätigt und in einem Geschäftsbericht nach der Marke sucht, wird nicht fündig werden: Die Marke darf als sogenannter „selbsterstellter immaterieller Vermögensgegenstand“, nicht in die Bilanz aufgenommen werden. Und das, obwohl dieses „Nichts“ bei vielen Unternehmen das mit Abstand wertvollste Gut ist, über das sie verfügen. Die weltweit wertvollste Marke Coca Cola ist laut Marktforschungsunternehmen Interbrand 69,6 Milliarden Euro wert. Wohl gemerkt: Nur die Marke! Produktionsstätten, Verwaltungsgebäude, der Mitarbeiterstamm – alles nicht enthalten. Und was soll das alles? Warum geben die Unternehmen aberwitzige Summen für Werbung, Sponsoring und was sonst noch alles aus, um ihre Marken-Ikonen zu stärken?

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