Editorial
 


Bei Veronal® handelt es sich um ein Barbital, dessen Wirksamkeit als Durchschlafmittel 1903 durch E. Fischer und von Mehring entdeckt wurde. Bei der Namensgebung ließ sich von Mehring von der italienischen Stadt Verona inspirieren, die er um diese Zeit herum besucht hatte. Ob er dabei auch an jenen fatalen Betäubungstrank dachte, der das tödliche Mißverständnis zwischen Romeo Montague und Julia Capulet ausgelöst hatte, ist nicht überliefert.
Veronal® bewährt sich in allen Fällen von einfacher, nicht durch starke Schmerzen bedingter Schlaflosigkeit. Ebenso wie bei Schlafmangel infolge nervöser Unruhe und Reizbarkeit leistet Veronal® Vorzügliches bei der durch Nachtwachen und Nachtarbeit hervorgerufenen, sogenannten „angewöhnten“ Schlaflosigkeit. Gegen nervöses Herzklopfen als Begleiter oder Ursache der Schlaflosigkeit ist Veronal® ein ausgezeichnetes Mittel. Es bringt nicht nur gesunden Schlaf, sondern auch zunehmende Beruhigung des nervös erregbaren Herzens. Canivez, Mendel und Korn berichten über hervorragende Resultate bei Neurasthenie. Auch bei sexueller Neurasthenie leistet es gute Dienste, ebenso bei Hypochondrie. Gewöhnlich braucht man auch hier zur Erzielung eines vollen Effektes die Dosis kaum zu überschreiten. Bei Melancholie, gleich welcher Herkunft, wurde prompte Wirkung konstatiert. Luther erwähnt einen heruntergekommenen Patienten, der sich nach Dauerbehandlung mit Veronal® auch körperlich erholte. Desweiteren ist zu nennen die Hysterie, bei der Veronal® eine dem Morphium ähnliche Wirkung ausübt und sich in vielen Fällen wirksam erweist, wo andere Beruhigungsmittel versagen. Bei schweren Depressionen wirkt Veronal ®, wenn schon der hypnotische Effekt ausbleibt, dann wenigstens stark beruhigend. Alkoholismus und Delirium tremens bilden feststehende Indikationen für den Veronal®-Gebrauch. Es gelang damit in vielen Fällen, den Anfall zu verhüten oder zu kupieren. Bei anderen Patienten wurde wenigstens eine Verkürzung des delirösen Zustandes erreicht. Richter und Steiner geben auf 0,5 Veronal® recht gute und sichere Erfolge bei verblödeten Geisteskranken an, während sie bei 1 von 8 Fällen von Idiotie keinen Effekt sahen. Im allgemeinen lassen sich halluzinatorische Zustände ganz gut durch zunächst höhere, dann fallende Dosen Veronal® beeinflussen.
Aus der Herabsetzung von Temperatur und Stickstoffaustausch durch Veronal® ergibt sich als weitere Indikation die Anwendung bei fieberhaften und zehrenden Krankheiten. Bei Lungentuberkulose kommt noch der günstige Einfluß auf die Eindämmung der lästigen Nachtschweiße hinzu. Bei starken Schmerzen, hochgradiger Atemnot, starkem Husten usw. läßt sich indessen durch Kombination mit Morphium oder Codein, Dionin, Heroin die Schlafwirkung vorteilhaft bekämpfen. Auch in der Therapie der Eisenbahnkrankheit sind dieselben glänzenden Erfolge zu verzeichnen. Canivez gab seiner zehnjährigen Tochter 0,25 Veronal® als Klysma mit dem Erfolg, daß das Kind zum ersten Mal Vergnügen am Eisenbahnfahren empfand.
Die Redaktion

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